Bakterielle Lipopolysaccharide und angeborene Immunität
Bakterielle Lipopolysaccharide (LPS) sind die Hauptbestandteile der äußeren Oberflächenmembran, die in fast allen gramnegativen Bakterien vorhanden sind, und wirken als extrem starke Stimulatoren der angeborenen oder natürlichen Immunität in verschiedenen eukaryotischen Spezies, von Insekten bis zum Menschen. LPS bestehen aus einer Poly- oder Oligosaccharid-Region, die in der äußeren Bakterienmembran durch eine spezifische Kohlenhydrat-Lipid-Einheit verankert ist, die als Lipid A bezeichnet wird. Die Lipid A-Komponente ist das primäre immunstimulierende Zentrum von LPS. Im Hinblick auf die Immunaktivierung in Säugetiersystemen hat sich gezeigt, dass die klassische Gruppe der stark agonistischen (hoch endotoxischen) Formen von LPS aus einer recht ähnlichen Gruppe von Lipid-A-Typen besteht. Darüber hinaus wurden mehrere natürliche oder derivatisierte Lipid-A-Strukturen identifiziert, die eine vergleichsweise geringe oder sogar keine Immunstimulation für eine bestimmte Säugetierspezies aufweisen. Einige Mitglieder der letztgenannten heterogeneren Gruppe sind in der Lage, die Wirkungen von stark stimulierenden LPS/Lipid A-Formen zu antagonisieren. Agonistische Formen von LPS oder Lipid A lösen im Säugetierorganismus zahlreiche physiologische immunstimulierende Effekte aus, können aber – in höheren Dosen – auch zu pathologischen Reaktionen wie der Induktion eines septischen Schocks führen. Es hat sich gezeigt, dass Zellen der myeloischen Linie die primären zellulären Sensoren für LPS im Immunsystem von Säugetieren sind. Während des letzten Jahrzehnts wurden enorme Fortschritte bei der Aufklärung des zentralen LPS/Lipid A Erkennungs- und Signalsystems in Säugetierphagozyten erzielt. Nach dem aktuellen Modell wird die spezifische zelluläre Erkennung von agonistischem LPS/Lipid A durch die kombinierten extrazellulären Aktionen des LPS-Bindungsproteins (LBP), der membrangebundenen oder löslichen Formen von CD14 und des neu identifizierten Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4)*MD-2-Komplexes initialisiert, was zur schnellen Aktivierung eines intrazellulären Signalnetzwerks führt, das in hohem Maße homolog zu den Signalsystemen von IL-1 und IL-18 ist. Die Aufklärung der Struktur-Aktivitäts-Korrelationen in LPS und Lipid A hat nicht nur zu einem molekularen Verständnis sowohl immunstimulatorischer als auch toxischer septischer Prozesse beigetragen, sondern auch die Entwicklung neuer pharmakologischer und immunstimulatorischer Strategien für die Prävention und Therapie von Infektions- und Malignomerkrankungen neu belebt.