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Als Charlie Chaplin Adolf Hitler imitierte

15.10.2020

Bei seiner Premiere vor 80 Jahren war „Der große Diktator“ die erste große Hollywood-Produktion, die klar Stellung gegen die Nazis bezog: Mit Parodie und Satire.

Als „Der große Diktator“ am 15. Oktober 1940 in New York uraufgeführt wurde, tobte in Europa der Zweite Weltkrieg.

Charlie Chaplin war zu dieser Zeit einer der größten Stars des amerikanischen Kinos, und viele waren überrascht, dass er für seinen ersten Tonfilm ein so aktuelles und politisches Thema wählen würde.

Die Produktionsgeschichte des Films wurde in Paul Duncans 2015 erschienenem Buch The Charlie Chaplin Archives ausführlich dokumentiert und zeigt, wie die scheinbar mühelose Kunstfertigkeit des Filmemachers auf akribischer Arbeit beruhte.

Hitler und Chaplin: Der gleiche Schnurrbart

Beide im April 1889 geboren, hatten Chaplin und Hitler tatsächlich eine körperliche Ähnlichkeit – zumindest, was Chaplins wiederkehrende Figur, den Tramp, betrifft. „In jenen Tagen in München wohnte ich in der Thierschstraße“, erinnerte sich der Schriftsteller William Walter Crotch in der Zeitschrift New Statesman, „und ich bemerkte oft auf der Straße einen Mann, der mich vage an eine militante Ausgabe von Charles Chaplin erinnerte, wegen seines charakteristischen Schnurrbarts und seiner hüpfenden Art zu gehen.“

Sein Lebensmittelhändler erzählte Crotch später, dass es sich um einen gewissen Herrn Adolf Hitler handelte, den Führer einer winzigen politischen Randgruppe.

Die Hitler-Chaplin-Verbindung bestand schon Jahre vor dem Film, als der Filmemacher von nationalistischen Kräften in Deutschland denunziert wurde. Die Propagandazeitung Der Stürmer notierte 1926: „Charlie Chaplin ist ein Jude. Seine Handlungen sind die eines Kleinganoven, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät.“

In „Der große Diktator“ ist Adolf Hitler nun Adenoid Hynkel

Diese Aussage selbst war Fiktion; Chaplin war kein Jude, aber er weigerte sich, ein öffentliches Statement in dieser Hinsicht abzugeben. „Seine Haltung war, dass jeder, der das leugnet, den Antisemiten in die Hände spielen würde“, sagte der britische Politiker und Filmemacher Ivor Montagu. Die Solidarität mit den Juden ist eine der zentralen Botschaften in Chaplins Film.

Lachen über Hitler

Mit Witz und Tiefgang parodiert der Regisseur und Hauptdarsteller des Films den Nationalsozialismus und stellt Hitlers Manierismen erschütternd treffend dar. Teil des Effekts in Chaplins erstem Tonfilm war eine beißende Parodie von Hitlers rhetorischem Stil und eine übertriebene Wiedergabe der deutschen Sprache selbst, mit übertriebenen gutturalen Lauten.

Die lustigste Sache der Welt, erklärte Charlie Chaplin, ist es, selbstgefällige Personen in hohen Positionen lächerlich zu machen. Und es wäre, um den Filmemacher zu paraphrasieren, schwierig, eine andere solche Person vom Kaliber eines Hitler zu finden. Der große Diktator verschmilzt Witz, Tragik und Menschlichkeit auf eine Art und Weise, wie es nur Chaplin konnte.

Eine weitere Chaplineske Mischung aus Komik, Tragik und Menschlichkeit: „Moderne Zeiten“

Bei der Entstehung des Films stieß Chaplin auf erheblichen Widerstand. Es würde noch ein Jahr dauern, bis die USA in den Zweiten Weltkrieg eintreten würden, Hollywood machte immer noch Geschäfte in Deutschland, und jüdische Personen in der Branche waren besorgt über Repressalien. Unter der Kritik konservativer politischer Kreise in den USA erwog Chaplin, das Projekt abzubrechen, bis Präsident Franklin D. Roosevelt intervenierte und ihn aufforderte, den Film unter allen Umständen fortzusetzen.

18 Jahre später in Deutschland

Nach der Premiere lobte die New York Times die satirische Komödie als „wahrhaft großartige Leistung eines wahrhaft großen Künstlers – und, von einem Standpunkt aus betrachtet, vielleicht der bedeutendste Film, der je produziert wurde.“

Chaplin sagte später: „Hätte ich von den tatsächlichen Schrecken der deutschen Konzentrationslager gewusst, hätte ich Der große Diktator nicht machen können.“

Obwohl die Zuschauer bei Testvorführungen in Deutschland, die direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stattfanden, positiv reagierten, beschlossen die US-Behörden, einige Jahre zu warten, bevor sie den Film dort veröffentlichten. Der große Diktator kam erst 1958 in die deutschen Kinos.

Jochen Kürten, Rick Fulker

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