Museum der belgischen Nationalbank
Das Museum der Nationalbank ist wahrscheinlich nicht das erste, was Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie über Muscheln sprechen. Und doch besitzt es neben einer großen Anzahl von Münzen und Banknoten auch eine schöne Sammlung von primitiven Zahlungsmitteln. Innerhalb dieser Kategorie des traditionellen Geldes ist die Kaurimuschel einer der bekanntesten Vertreter.
Lange vor unserer Zeitrechnung war die Kaurimuschel als Zahlungsmittel und Symbol für Reichtum und Macht bekannt. Diese monetäre Verwendung setzte sich bis ins 20. Jahrhundert fort. Wenn wir uns etwas näher mit diesen Muscheln beschäftigen, ist es durchaus nicht verwunderlich, dass Sorten wie die cypraea moneta oder cypraea annulus beliebte Zahlungsmittel waren und schließlich zu teilweise großen Konkurrenten von Metallwährungen wurden. Alle Eigenschaften des Geldes, d.h. Haltbarkeit, Handlichkeit oder Bequemlichkeit, Erkennbarkeit und Teilbarkeit sind in diesen kleinen Schalen verkörpert. Im Vergleich zu Lebensmitteln oder Federn, die dem Ungeziefer zum Opfer fallen können, halten Muscheln auch häufiges Hantieren problemlos aus. Sie sind klein und sehr leicht zu transportieren und bieten durch ihre verlockende Form und ihr Aussehen einen perfekten Schutz vor Fälschungen. Außerdem war das Zählen nicht immer zwingend notwendig. Da die Muscheln fast alle die gleiche Form und Größe hatten, genügte oft das Wiegen, um den Wert einer Zahlung zu bestimmen.
Abhängig von lokalen Vorlieben und Vereinbarungen konnten Kaurimuscheln auch verpackt oder zu größeren Einheiten aufgereiht werden. Auf dem bengalischen Markt wurden z.B. große Zahlungen in Körben voller Kauris getätigt, von denen jeder ca. 12.000 Muscheln enthielt. Aufgrund ihrer eigentümlichen Form galt die Kaurischnecke auch als Fruchtbarkeitssymbol, was sie bei vielen Völkern äußerst beliebt machte.
Die in den warmen Gewässern des Indischen und Pazifischen Ozeans beheimatete Kaurischnecke wanderte über Land und Meer und breitete allmählich ihr Reich aus. Sie wurde zum gebräuchlichsten Zahlungsmittel der Handelsnationen der Alten Welt. Die Kaurischnecke wurde in weiten Teilen Asiens, Afrikas, Ozeaniens und an einigen verstreuten Orten in Europa akzeptiert. Chinesische Bronzeobjekte, das älteste aus dem 13. Jahrhundert v. Chr., informieren uns über diesen Geldgebrauch. Auch in der chinesischen Schriftsprache hat diese Tradition ihre Spuren hinterlassen. Vereinfachte Darstellungen der Kaurimuschel sind Teil der Schriftzeichen für Wörter mit stark wirtschaftlicher Bedeutung, wie z.B. Geld, Münze, kaufen, Wert…
Das Sammeln und Handeln mit Kaurimuscheln wurde auf den Malediven zu einer regelrechten Industrie. Sowohl Männer als auch Frauen waren daran beteiligt und hatten ihre eigenen Aufgaben. Frauen webten Matten aus den Blättern der Kokosnussbäume, die auf die Wasseroberfläche gelegt wurden. Kleine Mollusken bedeckten diese Matten, aber bevor sie geerntet werden konnten, wurden die Matten an den Stränden zum Trocknen gelassen. Sobald sie vollständig getrocknet waren, waren die Muscheln bereit, ihr Leben als Zahlungsmittel zu beginnen.
Der größte Teil dieser maledivischen Produktion wurde von lokalen Seeleuten in das Hauptverteilungszentrum Bengalen exportiert. Wichtige Frage: was war der Wert dieser Ware? Das Gesetz von Angebot und Nachfrage, eines der Grundgesetze der Ökonomie, spielte eine dominante Rolle. In Gebieten, die weit von den Produktions- oder Handelszentren entfernt waren, konnte man mit ein paar Kuhfladen eine Kuh kaufen, während auf den Malediven selbst ein paar Hunderttausend einem Golddinar entsprachen. Entlang der nordöstlichen Handelsroute führten Karawanen arabischer Händler die Kaurischnecke im afrikanischen Binnenland ein, aber es waren die Portugiesen, Engländer, Franzosen und Holländer, die die Kaurischnecke zur Währung für kommerzielle Transaktionen, wie z.B. den Handel mit Sklaven, Gold und anderen Waren, erhoben. Der massive Import von Kaurischnecken entlang der afrikanischen Westküste sorgte jedoch für einige Störungen auf beiden Seiten der Handelsroute: Während Indien im 17. Jahrhundert mit schweren Engpässen zu kämpfen hatte, verloren die lokalen afrikanischen Währungen zugunsten der Kaurischnecken an Wert oder verschwanden sogar ganz. Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielte die Kaurischnecke ihre monetäre Rolle, doch die Finanzwelt hat sich nicht ganz von dieser beliebten Währung abgewandt. Ihr Andenken wird unter anderem in der Fassade der Zentralbank der westafrikanischen Länder in Bamako, Mali, oder… in Museen, die dem Geld gewidmet sind, lebendig gehalten.
Ingrid Van Damme
Mitarbeiterin des Museums